Originalartikel im Human Resources Manager
Die Entwicklung einer agilen Führungshaltung erfordert ein Unlearning – das Loslassen von erlerntem Verhalten. Wie Achtsamkeit dabei hilft.
Die vergangenen Monate haben der Arbeitswelt gezeigt: Gerade in herausfordernden Zeiten kommt es auf Mitarbeitende und Führungskräfte an, die agil und offen mit neuen Situationen umgehen können. Doch eine gewisse innere Resistenz gegenüber Veränderungssituationen ist tief menschlich und auch Führungskräfte sind davor nicht geschützt. Wie können insbesondere Personen in Führungspositionen ein Bewusstsein für diese inneren Resistenzen entwickeln? Achtsamkeit bietet hier wirkungsvolle Methoden, um das Bewusstsein über persönliche Reaktionsweisen zu erhöhen und das eigene Verhalten gezielt zu verändern.
Was sind eigentlich Widerstände und wie entstehen sie?
Innere Resistenzen sind oftmals wertvolle Helferinnen. Sie unterstützen uns Menschen darin, Routinen zu etablieren und schaffen somit Sicherheit. Dank dieser Helfer entwickeln wir Expertise und Erfahrungen über einen langen Zeitraum. In Unternehmen unterstützen diese Verfestigungen von Erfahrungen und Verhaltensweisen, in dem sie gemeinsame Verständnisse beispielsweise über Produkte oder Geschäftsmodelle schaffen, was Abstimmungen erleichtert.
Doch in Veränderungssituationen können diese inneren Widerstände auch dazu führen, dass es Menschen und insbesondere der Führung schwerfällt, sich auf neue Umstände einzulassen. Noch dazu kommt, dass Führungskräfte in vielen Unternehmen über Jahre in bestimmten Führungsstilen geschult wurden und so auch ein gemeinsames Verständnis davon entwickelt haben, was Führung eigentlich ist.
Agilität – eine wichtige Superpower in der neuen Arbeitswelt
Agilität in Denken und Handeln wird heute immer wichtiger, um unter veränderten Umständen, wie zum Beispiel einer Krisensituation reaktions- und handlungsfähig zu sein. Führungsstile können entlang der Dimensionen Entscheidungsspielraum der Führungskraft beziehungsweise Entscheidungsspielraum der Teammitglieder unterschieden werden (s. Abb. 1). Entsprechende Verhaltensdimensionen rangieren so zwischen eher hierarchisch orientierter Führung bis hin zu einem Führungsstil, der heute oft als „dienende Führung“ (englisch: Servant Leadership) aufgeführt wird.
In einer agilen Arbeitswelt gewinnt dieser Führungsstil an Bedeutung. Merkmale sind Befähigung der Mitarbeitenden durch aktives Coaching. Die Führungskraft hat sich entsprechende Coaching-Kompetenzen angeeignet, um die Mitarbeitenden aktiv darin zu unterstützen, die eigenen Fähigkeiten auszubauen, Ziele klar zu formulieren und Berufswege bewusst zu gestalten.
Ergänzend dazu wird es für eine agile Führungskraft heute zunehmend wichtiger, sich technische Kompetenzen anzueignen und sich mit Methoden des neuen Arbeitens auseinanderzusetzen. Aus diesen Kompetenzen ergibt sich eine Beratungskompetenz der Führungskraft, die sowohl fachlicher als auch disziplinarischer Natur ist. In anderen Worten, neben der Coaching-Kompetenz wird es für Führungskräfte immer wichtiger zu wissen, wie technische Methoden funktionieren (zum Beispiel Videokonferenz-Tools), wie sie aktiv mit agilen Methoden wie Scrum oder Kanban das Projektmanagement unterstützen können und wie sie in Form einer Beratung Methoden- und Fachkompetenz an ihr Team weitergeben.
Mit Achtsamkeit die Selbstregulierung erhöhen
Aber die Entwicklung einer agilen Führungshaltung erfordert manchmal nicht nur ein Umlernen, sondern vor allem ein Unlearning – also das Loslassen von erlerntem Verhalten. Hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel. Achtsamkeitspraktiken unterstützen nachweislich darin, das Bewusstsein über Körper und Geist zu erhöhen. Dies fördert die Selbsterkenntnis, zum Beispiel über Körperempfindungen, Emotionen und Reaktionen und wirkt sich langfristig positiv auf die Fähigkeit der Selbstregulierung aus. Genau diese Selbstregulierung wird wichtig im Prozess von Unlearning. Denn wer fähig ist zu erkennen, wann die inneren Resistenzen an Kraft gewinnen, ist auch fähig diesen Resistenzen gezielt zu begegnen.
Ein leichter Weg ist hier die K.N.O.W-Methode:
- Know: Wisse, dass Resistenz natürlich und menschlich ist.
- Notice: Erkenne, wie es Dir genau jetzt geht. Erlaube Dir selbst für einen Moment präsent zu sein, mit dem was gerade los ist.
- Open: Öffne Dich für die Erfahrung des Moments. Die sogenannte Innenschau ist eine Methode, die hier helfen kann, im aktuellen Moment zu erleben, was gerade in Dir selbst passiert. Hierzu bleibt man einfach kurz stehen und nimmt wahr, wie es einem gerade physisch und psychisch geht. So merkt man ganz schnell, ob der Nacken verspannt, der Kiefer verkrampft oder die Atmung verkürzt ist. Gleichzeitig hilft die Innenschau auch zu realisieren, welche Gefühle gerade vorherrschend sind: Ist da etwa Frust, Wut, Trauer oder Fröhlichkeit, Leichtigkeit, Freude?
- Welcome it: Heiße Deine Wahrnehmungen willkommen, anstatt ihnen erneut mit Resistenz zu begegnen.
Je mehr Stressoren durch die Innenschau erkannt werden, desto leichter fällt es zu verstehen, dass man sich eventuell gerade in einem angespannten Zustand befindet, in welchem man wenig bereit ist, Neues zu lernen oder sich auf unbekannte Umstände einzulassen.
Achtsame Praktiken erleichtern es uns als Menschen und als Führungskräfte, den inneren Resistenzen zu begegnen und damit umzugehen. In einer Haltung des Coaches und eines:einer Berater:in kann diese Erkenntnis auch helfen, Mitarbeitende darin zu befähigen, bewusster mit den individuellen Resistenzen umzugehen.
Zusammenfassung
Eine neue Arbeitswelt wird nur real, wenn sich Führung und Mitarbeitende gemeinsam aufmachen, mutig und achtsam zu agilen Held:innen zu werden. Durch diese Lust auf die gemeinsame Gestaltung übernimmt die Führung eine wichtige Rolle. Denn durch eine neue Führungshaltung macht sie eine neue Arbeitswelt möglich, die auf Werten und Visionen basiert und eine nachhaltige Wirtschaftswelt von morgen schon heute mitgestaltet.
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