Das Johari-Fenster: Ein Teamentwicklungstool zum Erkennen von Selbst- und Fremdbild
In einer digitalen und agilen Arbeitswelt geht es zunehmend mehr um die Frage, wie gut ein Team zusammenarbeitet. Projekte werden komplexer und vernetzter. Die verschiedenen Anspruchsgruppen an neuen Projekte werden oft unüberschaubar, da sie aus unterschiedlichsten Unternehmenseinheiten kommen, die so früher nicht zusammenarbeiten mussten. Oft prallen hier verschiedene Sprachen, Verständnisse und Herangehensweisen aufeinander.
Noch dazu kommt, dass nicht immer alle aus einem Team an einem Ort sind. Die digitale Kollaboration wird wichtiger. Zusammenarbeit über Distanz wird durch verschiedene technische Tools erleichtert. Aber ein gutes Einverständnis im Team über Videokonferenzen zu erzielen, kann sich auch als schwierig gestalten. Insbesondere wenn sich die Teamitglieder bislang wenig kennen oder keine Erfahrung in der Zusammenarbeit über Distanz haben.
Ein Tool, welches eine zielführende Zusammenarbeit unterstützt Achtsamkeit in Unternehmen fördert, ist das Johari Fenster. Es stammt ursprünglich aus der Sozialpsychologie und hilft dabei, bewusste und unbewusste Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale zu identifizieren. So erhöht das Johari Fenster die Selbstreflexion und das Verständnis innerhalb eines Teams. Die amerikanischen Psychologen Joseph Luft und Harry Ingham haben das Johari Fenster 1955 entwickelt mit dem Ziel, dass es den Anwendern auch hilft, die blinden Flecken in ihrem Selbstbild zu erkennen.
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Anwendung des Johari Fensters in der Teamentwicklung:
Wir empfehlen mit dem Johari Fenster wie folgt zu arbeiten:
Schritt 1: Individuelle Reflexion der öffentlichen Person
Nehmen Sie sich Ihr Johari Fenster vor und überlegen Sie, was öffentlich über Sie bekannt ist und was anderen über Sie bekannt ist. Das können 2-3 Stationen aus Ihrem Lebenslauf sein, die Sie als wichtig für Ihre aktuelle Position, Rolle oder Ihr Team erachten. Das können aber auch Eigenschaften sein, die aus einer Liste aus 56 Adjektiven entnommen werden.
Schreiben Sie Ihre Erkenntnisse auf.
Schritt 2: Individuelle Reflexion Ihres Geheimnisses
Hier überlegen Sie, ob es etwas gibt, das Sie über sich wissen, aber ungern mit anderen teilen. Im Sinne des Eisbergmodells (s. Eisbergmodell nach Freud, von Ruch und Zimbardo) gibt es die Erkenntnis, dass über uns Menschen oftmals nur die Spitze des Eisbergs bekannt und öffentlich ist. Unter der Wasseroberfläche aber gibt es Vieles, das geheim oder unbekannt ist. In diesen Bereich wagen wir uns mit dem Geheimnis vor. Das kann eine prägende Erfahrung sein, ein geheimes Hobby oder eine private Leidenschaft.
Schreiben Sie Ihr Geheimnis auf.
Schritt 3: Der blinde Fleck
Unter dem blinden Fleck versteht man alles, was eine Person über sich selbst eher nicht wahrnimmt, z. B. Signale, die sie im Gespräch ausstrahlt, Positionen, die sie oft einnimmt oder Gesten, die an ihr auffallen. Durch gemeinsames Betrachten dieser blinden Flecken im Rahmen eines achtsamen Feedbacks können unbewusste Aspekte in den öffentlichen Bereich transferiert werden.
Schreiben Sie über eine*n Kollege*in auf, was Ihnen an ihm/ihr besonders auffällt. Gehen Sie bspw. auf Gesprächs- oder Meetingsituationen ein und begleiten Sie Ihre Beobachtung gern mit einem konkreten Beispiel.
Schritt 4: Das Unbekanntes
Hier geht es um Informationen, die weder Ihnen noch anderen über Sie bekannt sind. Im Sinne des Eisbergmodells geht man davon aus, dass gerade in diesem Bereich viele Informationen über uns Menschen schlummern, die uns Leidenschaften, Potentiale und Wünsche aufzeigen. Informationen über diese Unbekannte können bspw. aus wiederkehrenden Träumen, Kindheitserinnerungen oder unterdrückten Wünschen stammen. Ein Beispiel: Ich habe vielleicht ein großes Talent für Ölmalerei. Ganz oft sehe ich mich in meinen Träumen als Maler.
Schreiben Sie eine Unbekannte auf, die Ihnen spontan in den Sinn kommt. Das kann auch eine verrückte Idee sein, die Sie z. B. während einer Meditation hatten.
Schritt 5: Austausch im Team
Teilen Sie im Team (max. 10 Teilnehmer*innen), was Sie bei Schritt 1,2 und 4 über sich aufgeschrieben haben. Gehen Sie durch die Runde und hören Sie sich gegenseitig nur zu.
Dann laden Sie die Teammitglieder ein zu teilen, was sie über die jeweils anderen Teammitglieder aufgeschrieben haben.
Schätzen Sie gemeinsam die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Perspektiven wert und leiten Sie gemeinsam mögliche Lernerkenntnisse ab. Beispiele für Lernerkenntnisse können folgende sein:
- Individuell: Schulung in Kommunikationskompetenzen; Training zur Gesprächsführung im Meeting
- Team: Projektmanagement fokussieren; Transparenz in der Kommunikation erhöhen; Neue Rollen im Team definieren; Unterschiede in den Persönlichkeitsstrukturen und Wahrnehmungen schätzen
Wir wünschen Ihnen viel Freude bei der Anwendung des Johari-Fensters in der Teamentwicklung. Kommen Sie gerne auf uns zu, wenn wir diesen Prozess der Selbst- und Fremdbilderkenntnis im Rahmen eines Teamtrainings für Sie moderieren sollen. Wir freuen uns darauf, Sie und Ihr Team zu unterstützen.
Reflexionen des Johari Fensters aus dem myndway Team:
Tim Kuntze, Co-CEO
Das Johari Fenster lässt in sehr kurzer Zeit und mit wenig Aufwand eine Umgebung des Vertrauens entstehen; vorausgesetzt es lassen sich alle Teammitglieder darauf ein. Es deckt sowohl unbewusste Stärken als auch Schwächen auf und dient einem schnellen sowie intensiven Kennenlernen.
Sandra Breyer, Marketing Manager
Auch wir bei myndway nutzen dieses aufschlussreiche Tool. Besonders spannend finde ich dabei, das Aufdecken der blinden Flecken. So werden positive Verhaltensmuster als auch Entwicklungspotenziale in Kürze erörtert.
Referenzen
Floyd L. Ruch, Philip G. Zimbardo u. a.: Lehrbuch der Psychologie. Eine Einführung für Studenten der Psychologie, Medizin und Pädagogik. Springer, Berlin 1974, ISBN 3-540-09884-4, S. 366.
Joseph Luft, Harry Ingham: The Johari window, a graphic model of interpersonal awareness. In: Proceedings of the western training laboratory in group development, Los Angeles: UCLA, 1955.
Joseph Luft: Of Human Interaction , National Press, Palo Alto, CA, 1969, S. 177