Übungen und Anleitungen für die achtsame Führung

Wir bewegen uns in unsicheren Zeiten, in denen uns mehr Fragen begegnen als Antworten. Die Zukunft scheint weniger greifbar als je zuvor und die vergangenen Jahre hinterlassen Spuren in unserem Denken und Handeln. Nach der Pandemie scheint unsere Welt eine andere zu sein, und die unmittelbare Nähe zu Unfrieden tut ihr Übriges dazu, unser Weltbild weiterhin radikal zu verändern.

Wir erleben seit mehr als zwei Jahren Veränderungen, neue Frontenbildungen, aber auch große Wellen an Solidarität und Mitgefühl. In Zeiten wie diesen entsteht in vielen Menschen der Wunsch nach Orientierung und Führung. Dabei drängt sich auch immer die Frage auf: Was ist eigentlich Führung?

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Was ist Führung?

Im organisationalen Kontext wird Führung oft an Menschen und Rollen festgemacht. Dabei ist Führung doch zunächst eine Frage der Verantwortung, die man für sich und andere übernimmt. In der positiven Führung wird Führung in drei Teile unterteilt (s. Hunziker, 2018):

  • Verantwortung, die man für sich selbst übernimmt
  • Verantwortung, die man für andere, z.B. das Team übernimmt
  • Verantwortung innerhalb einer Organisation

Neuere Führungsmodelle wie die positive Führung rücken neben der Übernahme von Verantwortung auch weitere wichtige Führungsaspekte in den Fokus wie:

  • Wertschätzung leben
  • Stärken fördern
  • Sinnhaftes Tun unterstützen

Führung lebt also vor. Eine Führungsrolle in unsicheren Zeiten zu übernehmen, heißt nicht mehr rein Weisungsbefugnis zu übernehmen und Kontrolle auszuüben. Betrachtet man die Herausforderungen einer Welt, in der Wissen stets neu entsteht und es zunehmend schwerer ist, einen ganzheitlichen Überblick über Prozesse, Märkte und Wirkkräfte zu behalten, kann das eine Entlastung für die Führung sein. Allerdings bedeutet das für die Führungskraft auch, bewusst Verantwortung abzugeben und andere Menschen zur Mitgestaltung von Führung einzuladen. Führung wird somit weniger abhängig von einzelnen Personen, als vielmehr einer Gruppe von Menschen, die Wissen teilt, sich gegenseitig unterstützt und somit gemeinsam Verantwortung übernimmt.

 

Wir halten fest: Führung bedeutet heute, Verantwortung gemeinsam zu übernehmen, um in unsicheren Zeiten Orientierung zu bewahren und zu geben.

Wie gestaltet sich achtsame Führung?

Diese Form der geteilten Verantwortung kann entlastend für Menschen in der Organisation sein, die einen klaren Führungsauftrag haben. Gleichzeitig können so auch neue Herausforderungen entstehen. Denn das Bild von Führung, welches lange in Unternehmen und Organisationen gelebt wurde, war eines von Kontrolle, Richtungsweisung und Verantwortung, welche ein Einzelner bzw. eine Einzelne übernimmt. Führung kaskadierte in pyramidenähnlichen Strukturen und führte so auch dazu, dass Menschen ohne Führungsauftrag Verantwortung abgeben konnten und durften.

Heute allerdings sind alle Menschen im Unternehmen gefragt, aufmerksam Veränderungen wahrzunehmen, Change zu initiieren und mitzutragen. Das erfordert Aufmerksamkeit, Präsenz und Wachheit. Genau hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel.

Achtsamkeit, das ist Präsenz im aktuellen Augenblick. Dabei kann man sich auch im Arbeitsalltag stets fragen:

  • Bin ich ganz da?
  • Gehe ich mit offenen Augen durch meinen Tag?
  • Nehme ich meine Kollegen und Kolleginnen wahr?

Denn eben diese Form der Präsenz befähigt mich, in meine Kraft zu treten, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit anderen Menschen neue Aufgaben anzugehen. Die Frage „Bin ich ganz da?“ kann mir helfen, Veränderungen in Bedürfnissen z.B. von Kunden wahrzunehmen. Die Frage „Gehe ich mit offenen Augen durch meinen Tag?“ kann mich daran erinnern hinzuschauen und zu sehen, wo meine Kollegen und Kolleginnen meiner Fähigkeiten bedürfen. Sie ist einer Einladung an mich selbst gleichzusetzen, Verantwortung zu übernehmen. Die Frage „Nehme ich meine Kollegen und Kolleginnen wahr?“ kann mir helfen, Wertschätzung für die Stärken und Fähigkeiten von mir und anderen zu entwickeln und so gezielt neue Herausforderungen gemeinsam mit anderen anzugehen. Sie kann mich also auch entlasten, in dem ich ein Bewusstsein dafür entwickle, wie ich schnell und gezielt ein starkes Team für konkrete Problemstellungen zusammenbringen kann.

 

Wir halten fest: Achtsamkeit entsteht durch Präsenz im aktuellen Augenblick.

Wie bringe ich Achtsamkeit in den Arbeitsalltag?

Nun bleibt die Frage, wie man Achtsamkeit konkret in den Alltag integriert? Wenn wir ehrlich sind, unsere Tage sind oft gefüllt von vollen To-Do-Listen. Die Gedanken wirbeln im Kopf und wir sind deutlich mehr in der linken Gehirnhälfte, die für Tun und Aktivität steht, als in der rechten, welche uns hilft, einfach zu sein. (Hanson, 2020)

Allein schon diese Erkenntnisse können helfen, kleine Praktiken der Achtsamkeit in den Alltag zu bringen. Denn klar ist: Wir brauchen beide Gehirnhälften, um voll in unsere Kraft als Führungspersönlichkeit zu treten. Dabei geht es sowohl darum, Ruhe und Fokus zu kultivieren, als auch sich bewusst darüber zu sein, was wir richtig gut können.

Während uns also die linke Gehirnhälfte, insbesondere der präfrontale Kortex, darin unterstützt, sequentiell zu planen und diese Schritte in Sprache zu konkretisieren, kann uns die rechte Gehirnhälfte daran erinnern, Raum zu schaffen und in die Ruhe zu finden.

 

Welche Praktiken fördern Mindful Leadership?

 

1) Ruhe da oben:

Regelmäßige Pausen, die bspw. im Kalender eingeplant sind, fördern das Abschalten des Gehirns. Diese Pausen kann man auch für bewusstes Atmen nutzen. Hierbei atmet man ein und zählt auf 3, 4 und 5 und atmet wieder aus und zählt wieder auf 3, 4 und 5. Ziel ist es, einen Ausgleich der Ein- und Ausatmung zu schaffen und so das Nervensystem zu beruhigen.

2) Akzeptanz fördern:

Unser Gehirn tendiert dazu, zu planen, zu steuern und zu kontrollieren. Dabei vergisst es manchmal, dass nicht alles im Leben kontrollierbar ist. Übungen der Akzeptanz können dabei helfen, Akzeptanz für sich und andere zu fördern und aktiver Verantwortung zu übernehmen. Folgende kurze Meditation hilft, das „Sein“ der rechten Gehirnhälfte zu erfahren.

  • Stelle Dir den blauen Himmel vor.
  • Lass die Wolken am Himmel vorbeiziehen.
  • Stelle Dir vor, die Gedanken sind Wolken, die vorbeiziehen.
  • Bleibe ca. 5 Minuten bei diesem Bild.
  • Spüre danach eine neue Ruhe in Dir. Wenn Du magst, lege abschließend auch kurz eine Handfläche auf die rechte Seite Deines Kopfes.

3) Wertschätzung leben:

In einer Welt hoher Ansprüche sind wir selbst oft unsere größten Kritiker und Kritikerinnen. Das kann auch dazu führen, dass wir bei anderen schneller in der Kritik als in der Wertschätzung sind. Doch eben der Ausdruck von Wertschätzung gegenüber uns selbst und anderen macht uns zu Vorbildern in der Führung und zu motivierenden Mitmenschen, die ihre eigenen und die Stärken anderer sehen und fördern. Hierbei kann folgende Übung helfen:

  • Einatmen: Ich schätze…. Ausatmen: A, B, C an mir wert.
  • Einatmen: Ich schätze… Ausatmen: A, B, C an einer Person, die ich mag, wert.
  • Einatmen: Ich schätze… Ausatmen: A, B, C an einer Person, die ich weniger mag, wert.
  • Fühle nun in Deinen Körper hinein. Vielleicht nimmst Du das Gefühl der Entspannung wahr, das sich nun ausbreitet.
  • Einatmen: Ich schätze…. Ausatmen: mich wert
  • Einatmen: Ich schätze… Ausatmen: eine Person, die ich mag, wert.
  • Einatmen: Ich schätze… Ausatmen: eine Person, die ich weniger mag, wert.
  • Fühle zum Abschluss in Deinen Körper hinein und bleibe für einen Moment hier.

 

Wir halten fest: Achtsamkeit in den Alltag zu bringen ist gar nicht so schwer. Kleine Übungen bewusst in den Alltag zu integrieren kann dabei helfen, das Gehirn zu verändern und achtsamer zu agieren.

In a nutshell:

Achtsame Führung entsteht aus Optimismus und einer positiven Grundhaltung. Die Welt ist stets in Bewegung und es liegt an uns selbst, Veränderung und Bewegung mitzugestalten. Es ist natürlich, dass Veränderung Unsicherheit auslösen kann und uns im ersten Moment so sehr verunsichert, dass wir in Bewegungslosigkeit verfallen. Doch je mehr wir Optimismus kultivieren und uns immer wieder daran erinnern, das Positive zu sehen, desto mehr trainieren wir unser Gehirn für Mindful Leadership. Die aufgeführten Übungen können dabei ebenso unterstützen, wie der offene Dialog mit Gleichgesinnten. Wer sich einmal auf den Weg als achtsamer Leader und Lotse macht wird dabei auch merken: Es macht Freude, gemeinsam zu gestalten und voller Wertschätzung für die persönlichen Stärken und die Stärken anderer tätig zu werden. Denn genau hier entsteht eine Energie, die sich verstärkt und vervielfacht, je mehr wir sie mit anderen teilen.

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Quellen:

Hanson, R. (2020). Neurodharma: New Science, Ancient Wisdom, and Seven Practices of the Highest Happiness. Harmony, New York City.

Hunziker, A. W. (2018). Positiv führen. Leadership-mit Wertschätzung zum Erfolg. Verlag SKV, Zürich.

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