Empathie ist das Fundament zwischenmenschlicher Beziehungen. Es beschreibt die Fähigkeit, die Gefühle eines anderen Menschen zu verstehen und mit Mitgefühl zu reagieren. Auch in der Arbeitswelt gehört Empathie als Faktor der Emotionalen Intelligenz zu den Kernkompetenzen heutiger Führungskräfte. Emotionale Intelligenz beschreibt dabei die Fähigkeit, Gefühle zu erkennen und mit diesen umzugehen sowie darüber hinaus die Nutzung und einen angemessenen Ausdruck von Gefühlen. Menschliche Begabungen beruhen schon lange nicht mehr nur auf dem Intelligenzquotienten (IQ). Emotionale Intelligenz übertrumpft den IQ vor allem in weichen Faktoren wie emotionale Selbstregulierung und Empathie (Goleman, 2005).

In Zeiten von Corona, Home-Office und digitalen Treffen hat unser soziales Bewusstsein es nicht immer leicht. Empathische Fähigkeiten werden auf die Probe gestellt, denn wie kann ich Emotionen anderer Menschen wahrnehmen und verstehen, wenn die Kommunikation ausschließlich über Slack läuft und wir uns nur in einem eckigen Bildschirm via Zoom, MS Teams & Co. zu sehen bekommen? 

 

Tired Wash Hands Sticker by Joi Fulton

 

Diese Form des Arbeitens erfordert neue Kompetenzen. Für Mitarbeitende ist es ein wichtiges Anliegen, dabei unterstützt zu werden, Krisen und Veränderungen zu meistern. Laut dem Bericht des Lernportals Degreed „The State of Skills 2021“, der die globalen Auswirkungen der Pandemie untersuchte, sind 60% der 5.000 befragten Mitarbeiter*innen der Meinung, dass es im Rahmen der Pandemie erforderlich ist, neue Skills zu erlernen. 46% würden ihren Arbeitgeber verlassen, wenn dieser nicht in die Kompetenzentwicklung investiert (Tesnjak, 2021). 

Einsamkeit trotz ständiger Erreichbarkeit

Technologieveränderungen schaffen tagtäglich neue Möglichkeiten der Kommunikation. Es ist nicht mehr notwendig die eigenen vier Wände zu verlassen. Heute trifft man sich nicht mehr im Büroflur oder geht gemeinsam in die Mittagspause zum Italiener um die Ecke, sondern man bleibt da wo man ist – vor dem Bildschirm und wechselt vom Zoom-Meeting zum Zoom-Kaffee mit der Kollegin von “nebenan”. Die Arbeit am Computer stellt in der heutigen Zeit eine Notwendigkeit dar. Während das „digitale Arbeiten“ viele Vorteile mit sich bringt wie Flexibilität und die Automatisierung von Prozessen, entstehen auf der sozialen Seite einige Herausforderungen. 

Wir sind jede Sekunde miteinander verbunden und im Austausch und doch fällt uns scheinbar die zwischenmenschliche Kommunikation immer schwerer. Wie können wir unseren Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen auch aus der Ferne nah sein? Soziale Bedürfnisse werden nicht genügend befriedigt und die anfängliche Euphorie darüber, von zuhause aus zu arbeiten wandelt sich in Gefühle der Einsamkeit.

Wie können wir also unsere Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen auf einer tieferen Ebene erreichen und in einen Austausch kommen, ohne dass es in dem täglichen Smalltalk untergeht. Insbesondere wenn wir in einer unterstützenden Rolle arbeiten, läuft unsere Effektivität letztlich darauf hinaus, wie gut wir unseren Kolleg*innen zuhören und uns mit ihnen verbinden. Je besser wir unsere Arbeit machen, desto besser sind unsere Mitarbeiter*innen für ihre Arbeit gerüstet. 

 

Listen And Learn Sticker by Kirsten Hurley

 

Die Herausforderung? Empathie wird auf individueller Ebene erlernt. Es gibt hierfür kein Handbuch! Wenn wir die persönliche Verantwortung übernehmen, um Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen besser zu verstehen, wird die Zusammenarbeit letztendlich belohnt. Die Einzelperson trägt die Verantwortung, wie sie in einem digitalen Meeting auftritt und ein Gespräch eröffnet und beendet. Es geht darum, die Arbeit am Computer und die ständige Erreichbarkeit bewusst wahrzunehmen und den Rahmen zu gestalten, als in ihr unterzugehen. 

Unternehmen tragen die Verantwortung

Einfühlungsvermögen zu lernen, kann sowohl emotional als auch mental anstrengend sein. Sich mit Problemen der Kolleg*innen zu beschäftigen, bedeutet sich persönlich in deren Leben zu investieren. Möglicherweise sieht der ein oder die andere vor allem innerhalb der Führung im eigenen Unternehmen Unzulänglichkeiten, die ihren Tribut fordern.

Doch was passiert, wenn Unternehmen und Führungskräfte sich nicht darauf konzentrieren, die Mitarbeiter*innen auch innerhalb dieser Kompetenzen zu fördern und auszubilden? Klar, Einfühlungsvermögen ist in erster Linie schwer zu messen. Es ist vielleicht möglich die Moral der Mitarbeiter*innen durch Umfragen einzuschätzen, aber die direkten Auswirkungen von Empathie sind schwierig nachzuvollziehen. 

Insbesondere in Zeiten von Corona, in welchen die Unsicherheit überwiegt und das Vertrauen in eigene Fähigkeiten schwindet wird es wichtiger für Unternehmen ihren Mitarbeiter*innen zu helfen und das Positive in Zeiten der Veränderung aufzuzeigen. Im schlimmsten Falle richtet sich der innere Widerstand mit der neuen Situation geradewegs gegen das Unternehmen.

Relevanz der Kompetenz digitale Empathie

Die Sehnsucht nach Kontakt prägt unser Arbeitsverhalten in vielerlei Hinsicht. Es fehlt der lockere, spontane Kontakt im Büro, der Abwechslung verspricht und auch die Art von Austausch und Resonanz, die nicht unbedingt Worte oder überzogene Gestik benötigt, wie wir es aus einem digitalen Meeting kennen. 

 

faces mixedemotions Sticker by Alison Lou

 

Das distanzierte Verhalten steht konträr zu der eigentlich wachsenden Werteorientierung in unserer Gesellschaft. Das hat nicht nur eine Auswirkung auf unsere Kommunikation untereinander, sondern viel mehr eine Auswirkung auf uns selbst. Der Stress nimmt zu und es wird immer schwieriger Arbeit und Privates auseinander zu halten. Viele Menschen wissen nicht, wie sie Grenzen ziehen oder sich erlauben dürfen, auch einfach mal nicht erreichbar zu sein. Im Zuge der Corona-Pandemie sind die Zahlen für Überstunden und für Burn-Out-Betroffene klar angestiegen (Limeade, o.D).

 

Was also benötigen Mitarbeiter*innen und Führungskräfte, um im digitalen Arbeiten achtsam mit sich selbst zu sein, Abstand zu gewinnen, wenn dies nötig ist und echten Austausch zu unterstützen, anstelle von schnelllebigen oberflächlichen Meetings? Wie können sich Mitarbeiter*innen auch digital untereinander helfen und Verständnis füreinander aufbringen? Welche Tools gibt es? 

DAS TEAM

Zoom-Erschöpfung 

Viele und lange Videokonferenzen laugen aus und führen zu Erschöpfung. Den ganzen Tag gucken wir auf unseren Bildschirm, die Augen werden müde und wir schauen in die vielen Gesichter, die genauso zurückschauen in unsere Richtung. Dieser nahe unnatürliche Kontakt füttert unsere soziale Angst. In einem Video-Meeting haben wir kontinuierlich Augenkontakt und fühlen uns dementsprechend von mehreren Menschen gleichzeitig beobachtet. Zudem sind die Gesichter auf dem Bildschirm überdimensional  groß dargestellt. Das ist ein klar unnatürliches Verhalten und verlangt wesentlich mehr ab, als den meisten bewusst ist. Auch unsere Gesten müssen wir für die Kamera wesentlich größer gestalten als in einem nicht digitalen Umfeld. Das erfordert von unserem Gehirn einen erhöhten, kognitiven Energieaufwand.

 

TIPP 

  • Schalte die “Selbstansicht” aus und minimiere Deinen Bildschirm bei wenigen Teilnehmern.
  • Schafft ein Bewusstsein in Eurem Team, dass es in Ordnung ist, wenn man in einem Video-Meeting auch mal die Kamera ausschaltet. 
  • Verständigt Euch auf allgemein verständliche Gesten wie “Daumen hoch” für Zustimmung.

Slack-Erschöpfung 

Auch Slack und andere Chat-Tools konfrontieren uns mit einer hohen Anzahl an Informationen. Wir nutzen mehrere Channels gleichzeitig, in denen es zudem zu Wiederholungen von Anmerkungen und Fragen kommt.

 

TIPP

  • Verständigt Euch im Team auf einen Kommunikationskanal für “xyz” und auch darauf, wie ihr diesen nutzen wollt.
  • Schafft einen moderaten Rahmen für Kommentare, um einen Überfluss an Informationen zu vermeiden.
  • Es ist ok, für Fokuszeiten offline zu gehen!

Achtsamkeit im Videocall

Viele Meetings besitzen bereits eine feste Struktur mit einer oder zwei verantwortlichen Personen, die das Meeting moderieren. Viele Zuhörer geraten hier in eine passive Haltung, worunter das Miteinander im digitalen Raum leidet. Jeder Einzelne kann hier dazu beitragen, die Atmosphäre im Raum mitzugestalten. 

 

TIPP

  • Der achtsame Check In: Startet Eure Videocalls achtsam: Teilt in der Runde, wie es Euch heute geht. 
  • Lächeln: Versucht Videokonferenzen mit einem Lächeln zu beginnen und zu beenden und teilt so positive Energie. 
  • Bewegung: Findet einen “Energiemanager”, der bzw. die in langen Onlinemeetings nach mindestens 40 Minuten zu aktiven Pausen einlädt.

Echte Verbindung auch in der digitalen Welt

Für eine vertrauensvolle und erfolgreiche Unternehmenskultur ist digitale Empathie die Basis. Lernende Organisation sind dazu aufgefordert ihr Verständnis für neue Fähigkeiten auszubauen und in diese zu investieren, denn auch in Zukunft werden sich Arbeitsformate im digitalen Raum weiter entwickeln und Präsenz Veranstaltungen ablösen. 

 

Damit wir auch im digitalen Raum in Zukunft echte Verbindungen schaffen und in unserem Austausch nichts verloren geht, können wir nur gemeinsam eine achtsame Kultur prägen, die folgende Punkte innehält:

  • Geduld im digitalen Raum 
  • Verständnis für Mensch und Technik
  • Echter Austausch über Dich und Mich
  • Kreativität im gemeinsamen Arbeiten
  • Growth Culture > Performance Culture

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Quellen: 

Goleman, D. (2005). Emotional Intelligence: 10th Anniversary Edition. Bantam Dell.

Limeade: New Limeade Study Reveals Troubling Impact of COVID-19 on the Employee Experience, unter: https://www.limeade.com/en/releases/new-limeade-study-reveals-troubling-impact-of-covid-19-on-the-employee-experience/?utm_source=Iterable&utm_medium=email&utm_campaign=newsletter-20210429

Stanford News (2021): Stanford researchers identify four causes for ‘Zoom fatigue’ and their simple fixes, unter: https://news.stanford.edu/2021/02/23/four-causes-zoom-fatigue-solutions/?utm_source=Iterable&utm_medium=email&utm_campaign=newsletter-20210429

Tesnjak, Dan (2021): Wie mangelnde Mitarbeiter-Skills den Unternehmenserfolg gefährden. Auf Persoblogger unter: https://persoblogger.de/2021/03/01/wie-mangelnde-mitarbeiter-skills-den-unternehmenserfolg-gefaehrden

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